Antrag an die 179. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Vorarlberg am Donnerstag, dem 9. November 2017.
Das Arbeitsverfassungsgesetz bildet die vorgegebene Unterscheidung der Arbeitnehmer/innen in die Gruppe der Arbeiter/innen und die Gruppe der Angestellten konsequent ab und sieht vor, dass diese Arbeitnehmergruppen grundsätzlich getrennte Gruppenbetriebsräte zu bilden haben – also Arbeiterbetriebsräte auf der einen und Angestelltenbetriebsräte auf der anderen Seite. Wenn jedoch jede der beiden Arbeitnehmergruppen dies beschließt, ist auch die Bildung eines gemeinsamen Betriebsrates (Arbeiter und Angestellte gemeinsam) möglich.
Dieser Beschluss setzt allerdings voraus, dass zwei Drittel der aktiv wahlberechtigten Arbeiter/innen sowie zwei Drittel der aktiv wahlberechtigten Angestellten in geheimen und getrennten Abstimmungen im Rahmen von Gruppenversammlungen für die Bildung des gemeinsamen Betriebsrates stimmen (nicht etwa zwei Drittel bloß der abgegebenen Stimmen!).
Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang außerdem, dass dieser Beschluss vor jeder Betriebsratswahl stattzufinden hat und nicht etwa (wie z. B. bei der Einführung einer Betriebsratsumlage) ein einmal gefasster Beschluss für „alle Zeiten“, somit auch für zukünftige Betriebsratswahlen, gültig wäre.
Nun ist es in einer Vielzahl der Betriebe absolut sinnvoll, bewährt und etabliert, die Arbeitnehmer/innen durch getrennte Gruppenbetriebsräte vertreten zu lassen, da die Probleme und Themen der Arbeiter/innen auf der einen und der Angestellten auf der anderen Seite zu unterschiedlich sind, vor allem dann, wenn sich die Tätigkeitsfelder stark unterschieden (klassischer Produktionsbetrieb mit Verwaltung = Angestellte auf der einen und eigentlicher Produktion = Arbeiter/innen auf der anderen Seite).
Dies soll ja auch durch eine Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes unverändert bleiben.
In der Praxis wirft allerdings die derzeitige Gesetzeslage dort Probleme auf, wo Belegschaften an der Bildung gemeinsamer Betriebsräte interessiert sind und es aufgrund der Art der Arbeitsleistung durchaus sinnvoll wäre, die geltenden Beschlusserfordernisse dies jedoch nahezu unmöglich machen, weil es ganz einfach schwierig, wenn nicht unmöglich ist, eine derartig hohe Anzahl an wahlberechtigten Arbeiter/innen wie auch Angestellten zu Gruppenversammlungen zu bringen, um die geforderte Zwei-Drittel-Zustimmung aller wahlberechtigten Arbeitnehmer/innen zu erreichen.
Dies führt sogar dazu, dass ab und zu die vom Gesetz geforderten Beschlussfassungen (insbesondere bei der bestehenden Betriebsratskörperschaften!) unterbleiben und ohne diese Beschlüsse gemeinsame Betriebsräte gebildet werden, was wiederum die Gefahr einer Wahlanfechtung entstehen lässt. Diese Gefahr kann vor allem dann akut werden, wenn durch die Bildung eines gemeinsamen Betriebsrates (zum Unterschied zu getrennten Betriebsräten) die Beschäftigtengrenze für den Freistellungsanspruch des Betriebsrates (150 AN) überschritten würde.
Bei Neugründungen von Betriebsräten führt das hohe Beschlusserfordernis meistens dazu, dass die Bildung eines gemeinsamen Betriebsrates nicht zustande kommt und stattdessen überhaupt nur ein Arbeiter- oder nur ein Angestelltenbetriebsrat allein, im besten Falle zwei getrennte Betriebsräte gebildet werden.
Abhilfe könnte nun auf einfache Weise in der Form geschaffen werden, dass das nach derzeitiger Gesetzeslage sehr hohe Beschlusserfordernis an die realen Gegebenheiten (und auch an die sonst üblichen Beschlusserfordernisse) angepasst wird:
So wäre es wohl mehr als ausreichend, würde im Rahmen der erforderlichen Beschlussfähigkeit (d.h. der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der stimmberechtigten Arbeitnehmer/innen) die Zwei-Drittel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreichen – und nicht die Zwei-Drittel-Mehrheit aller aktiv Wahlberechtigten.
Eine Neuregelung im obigen Sinne würde immer noch größtmöglichen Schutz davor anbieten, dass nicht etablierte getrennte Betriebsratskörperschaften plötzlich zu einem gemeinsamen Betriebsrat zusammengeführt würden, da ja auch bei der oben dargelegten Neuregelung immer noch ein erhebliches Beschlusserfordernis bleibt, dort jedoch, wo die Belegschaft an der Bildung eines gemeinsamen Betriebsrates interessiert ist, würde – zum Unterschied zur derzeitigen Gesetzeslage – eine praktikabel umsetzbare Vorgangsweise ermöglicht.
Die Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Vorarlberg fordert daher die Bundesregierung und den zuständigen Minister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf, eine Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes im Sinne des in diesem Antrag dargelegten Vorschlages einzuleiten.
Ergebnisse
- Der Antrag wurde zu einem gemeinsamen Antrag mehrerer Fraktionen und einstimmig angenommen.