Antrag an die 180. AK-Vollversammlung am 17. Mai 2018
Die Notstandshilfe wurde 1946 aus den Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise 1929 und ihren Folgen sowie des Nationalsozialismus geschaffen. Nie mehr sollten Menschen aus dem System der Arbeitslosenversicherung herausfliegen können und ins Elend gestürzt werden.Das System der Notstandshilfe ist sicherlich verbesserungsfähig. Etwa, was die existentielle Absicherung oder den Zugang zu Ausbildung, Beratung und Betreuung betrifft. Es ist aber unabdingbar, wenn das Ziel der Arbeitsmarktpolitik die nachhaltige gesellschaftliche, soziale und berufliche Inklusion von Menschen ist.
Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe in Deutschland und die Überführung der betroffenen Menschen in das Hartz IV-System des Arbeitslosengeldes 2 hatte erhebliche negative Auswirkungen: Der Anteil der Bezieher/innen von Niedriglöhnen ist von etwa 16 % auf knapp 23 % aller Beschäftigten gestiegen. Lagen der Anteil von armutsgefährdeten Menschen zum Zeitpunkt der Schaffung von Hartz IV in Deutschland und Österreich in etwa gleich hoch, so hat sich dieser Anteil seit der Einführung von Hartz IV in Deutschland von 12,2 % der Bevölkerung auf 16,7 %, also um 35 %, erhöht. In Österreich konnte dieser Anstieg auch und vor allem wegen des Weiterbestehens der Notstandshilfe selbst in Zeiten der Wirtschaftskrise mit etwa 11,9 % begrenzt werden.
Der Anteil armutsgefährdeter arbeitsloser Menschen lag vor Einführung von Hartz IV in beiden Ländern bei etwa 43 %, erhöhte er sich in Deutschland auf aktuell 70 %. In Österreich liegt er heute bei – noch immer viel zu hohen – 47 %.
Die Abschaffung der Notstandshilfe verschlechtert die Lebenssituation der betroffenen Menschen, ohne ihre Position am Arbeitsmarkt zu verbessern. Insbesondere Familien mit zwei Einkommen werden in der Regel um Leistungen aus der Mindestsicherung umfallen, da die Anrechnungsregelungen in der Mindestsicherung wesentlich rigider sind als in der Notstandshilfe. Ebenso werden alle jene Menschen keine Mindestsicherung erhalten, die etwa ein eigenes Auto oder ein Sparbuch mit mehr 4.300 Euro haben; oder die in einer Eigentumswohnung leben.
Auch wenn es der ideologische Wunsch der schwarz-blauen Regierung ist: Es kann kein Ziel einer Sozialpolitik sein, Menschen in Problemlagen ins Elend zu stützen, sie einem erhöhten Verarmungsrisiko auszusetzen oder sie zu Niedriglohnarbeit zu zwingen.
Die 180. Vollversammlung der Arbeiterkammer Vorarlberg beschließt daher:
Die AK Vorarlberg tritt für eine Verbesserung der Notstandshilfe ein. Diese Verbesserungen haben jedenfalls eine Erhöhung der Leistung, einen Rechtsanspruch auf Ausbildung und Qualifikation sowie auf personenorientierte Beratung und Betreuung zur Überwindung individueller Problemlagen zu umfassen.
Einer Abschaffung der Notstandshilfe sowie die Verlagerung der Menschen in das System der Mindestsicherung wird die AK Vorarlberg mit allen notwendigen Mitteln entgegentreten.