
Rede von GEMEINSAM-UG-Arbeiterkammerrätin Annibe Riedmann bei der Sonntagsdemo am 25.11.2018 in Hohenems
Es gilt das gesprochene Wort!
Schwarz-Blau-Türkis bläst zum Totalangriff auf unser Sozialsystem. Daher ist es wichtig, dass Menschen nicht nur ihre Stimme abgeben, sondern ihre Stimme erheben. Was wir hier und heute im wahrsten Sinne des Wortes DEMONSTRIEREN. Ich DANKE euch allen, dass ihr heute an diesem Sonntagmorgen genau dafür nach Hohenems gekommen seid!
In meinen zehn Jahren als Stellenleiterin in der Caritas Flüchtlingshilfe waren es geschätzte 1.400 hilfsbedürftige Fremde, die durch mein qualifiziertes Mitarbeiter/innenteam in Caritasquartieren untergebracht und betreut wurden.
Ich konnte also viele Flüchtlinge kennen lernen und kann mit Überzeugung sagen: Der Großteil von ihnen sind anständige, dankbare und tüchtige Menschen.
Das wollen verschiedene Kräfte in unserer Gesellschaft, insbesondere auch unsere Bundesregierung, so aber nicht sehen.
Die schwarz-blau-türkis-kleinkarierte Bundesregierung spaltet unsere Gesellschaft. Sie erzeugt Feindbilder und schürt Hass. Sie beschädigt dabei die Grundlagen unseres Zusammenlebens und unseren Sozialstaat.
Diesen Spaltungsversuchen müssen wir die Überzeugung entgegen stellen, dass wir friedlich und konstruktiv in diesem Land zusammen leben können.
Wir stehen für Solidarität statt Rassismus und sozialer Ausgrenzung.
Wie zynisch der Umgang mit Flüchtlingen in diesem Land oft sein kann, möchte ich an folgendem Beispiel schildern.
Als Traumafachfrau weiß ich, dass traumatisierte Menschen oft keine einfachen Menschen sind. Opfer können unter Umständen zu Tätern werden. Diese Tatsache ist psychologisch bedingt und unabhängig von Herkunft oder Religion. Die betroffenen brauchen psychotherapeutische Hilfe. Bei uns im Lande ist es aber nach wie vor nicht möglich, traumatisierten Asylwerber/innen diese Hilfe anzubieten. Gute Konzepte liegen in Schubladen, finanziert werden sie aber nicht.
Wenn Innenminister Herbert Kickl diesen September SEINE Polizei wissen lässt, dass diese bevorzugt kriminelle Taten von Flüchtlingen publik machen soll, dann wird klar, dass der politische Wille fehlt, diesen Menschen seelische Hilfe zu finanzieren, um dadurch unter Umständen einige Straftaten verhindern zu können.
Straftaten einzelner Flüchtlinge sind willkommenes Futter für die rechte Propaganda! Nicht Mitleid und Hilfe aktiviert deren Wählerpotential, sondern die Verteufelung des Fremden!
Für diese Veranstaltung sind vier Forderungen formuliert worden, die ich sehr gerne mit praktischen Beispielen unterlege:
1. Dauerhaftes Bleiberecht für langjährige oder wohlintegrierte Flüchtlinge und Zuwanderer
Der aus Altach stammende Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf begrüßt die angekündigte Modernisierung und Ausweitung der Rot-Weiß-Rot PLUS Karte für Drittsaatsangehörige, also des Aufenthaltstitels mit Arbeitsberechtigung. Damit sollen neue Wirtschaftsmigranten außerhalb der Europäischen Union angeheuert werden. Zur gleichen Zeit werden Drittstaatsangehörige – von manchen auch Wirtschaftsflüchtlinge genannt – welche seit Jahren LEGAL in Österreich sind und legal hier gearbeitet haben, abgeschoben und mit einem bis zu zehnjährigen Einreiseverbot in die EU belegt, weil sie das Land nicht freiwillig verlassen haben.
Die strikte Trennung zwischen Asyl und Zuwanderung, wie im Regierungsprogramm festgeschrieben, ist nicht nur inhuman. Das ist wirtschaftsfeindlich, unvernünftig und teuer.
Doch darum geht es der jetzigen Regierung nicht. Sie betreibt ihr populistisches Spiel auf dem Rücken von Notleidenden.
2. Keine Abschiebungen in Länder ohne ausreichende Sicherheit oder Überlebensmöglichkeiten
Wir stehen hier vor der ehemaligen Hohenemser Synagoge. Wir wissen, dass die Schweiz während der Nazizeit Juden und Jüdinnen den Grenzübertritt verweigerte, obwohl bekannt war, dass es sich um Verfolgte und extrem bedrohte Menschen handelte. Die damaligen Hohenemser und Lustenauer Schlepper und Schlepperinnen wussten jedenfalls genau, warum sie den Juden und Jüdinnen unter eigener Lebensgefahr halfen.
Lasst uns gemeinsam dafür eintreten, dass unsere schöne HEIMAT Österreich nicht heute dieselben Fehler macht.
3. Streng rechtsstaatliche Verfahren mit regierungsunabhängiger Rechtsberatung
Ein kostenloser Zugang zur Rechtsberatung ist eine europarechtliche Vorgabe.
In Österreich wurde diese vor gut sechs Jahren national ausgeschrieben. Der Zuschlag ging an den Billigstbieter den VMÖ, den Verein für Menschenrechte Österreich – lasst Euch von dem Namen nicht verwirren. Dieser Anbieter hatte etwa die Caritas, um 40 % unterboten hatte. Allen Juristen und Juristinnen war klar, dass eine qualitativ gute Rechtsvertretung um diesen Preis nicht machbar ist. Der Alltag zeigt es auf traurige Weise. Immer wieder kommt es vor, dass gravierende Fehler gemacht werden, indem beispielsweise Berufungen nicht individuell formuliert werden, sondern lediglich Copy-Paste-Standartformulierungen beinhalten. Schlampigkeitsfehler und Fristversäumnisse von bevollmächtigten Rechtsvertretern haben auch schon negative Bescheide provoziert, die nicht mehr zu revidieren waren.
Ein pakistanischer Kochlehrling aus Bregenz war nach einem groben Fehler des VMÖ abgeschoben. Dem nicht genug, soll es nun noch schlechter kommen, denn der Plan, eine Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen zu gründen, die Asylwerber/innen rechtlich beraten, ist ein Anschlag auf den Rechtsstaat.
Derzeit werden 42,7 Prozent aller Asylentscheidungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl durch das Bundesverwaltungsgericht wieder aufgehoben, weil diese fehlerhaft sind! Für den Gang in die zweite Instanz, das Bundesverwaltungsgericht, sollen Asylwerber/innen ab Ende 2019 von der Bundesagentur beraten werden, die demselben Ministerium untersteht, wie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das diese oft fehlerhaften Entscheidungen trifft. Da soll ein System geschaffen werden, das sich selbst kontrolliert und rechtsstaatliche Prinzipien missachtet, um dadurch die Asylverfahren zu beschleunigen! Das ist als ob Richter und Rechtsanwalt derselben Stelle unterstehen.
4. Abschiebungen dürfen nur mit verhältnismäßigen Mitteln bei Tag durchgeführt werden (keine Kobra bei Unbescholtenen)
Bitte Hände hoch, wer schon einmal live bei einer Abschiebung dabei war! WIR können euch sagen, es ist grauenhaft: Wenn Menschen, die Sie jahrelang betreut haben, täglich gegrüßt und sich an ihren Integrationsfortschritten erfreut haben, niedergedrückt und abgeführt werden wie Schwerverbrecher/innen. Und dies, mit einem total überdimensionierten Polizeiaufgebot. Zum Beispiel wurde für die Abschiebung einer 60-jährigen Tschetschenin vor einigen Monaten in Bregenz die Kobra gerufen. Dies ist kein Einzelfall. Und dann wird uns Steuerzahlern vorgerechnet, wie teuer die Flüchtlinge den Staat kommen.
Mir ist zu Ohren gekommen, dass es auch bei den Polizisten verhasst sei, Abschiebungen durchführen zu müssen. Das ist sicherlich eine Aufgabe die einem reflektierten und ehrlichen „Freund und Helfer“ zutiefst widerstrebt.
Ehrenamtliche, Sozialarbeiter/innen, Freunde, Mitschüler/innen aber auch Polizist/innen werden durch Abschiebungen co-traumatisiert. So etwas hinterlässt Spuren und es spaltet unsere Gesellschaft in erschreckender Weise!
Die Möglichkeit dass negativ beschienene Asylwerber/innen, ohne unser Land zu verlassen, den Aufenthaltstitel Ro-weiß-rot plus erhalten können sollen, ist nicht nur menschlich, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll und daher dringend nötig!
Zusätzlich zu den genannten vier Forderungen, möchte ich festhalten:
Gleichberechtigung der Geschlechter ist mir ein großes Anliegen und dabei ist es absolut unabhängig, ob der Machtmissbrauch zwischen den Geschlechtern nun von Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund verübt wird. Ich bin nicht naiv und weiß, dass in dieser Sache einige Männer noch vieles zu lernen haben. Traditionelle Unterdrückung und Gewalt im Namen der Ehre ist selbstverständlich zu verurteilen!
Ich finde auch, dass eine Gesellschaft bei der GUTMENSCH, ein Schimpfwort ist, ein größeres Problem hat. Lasst uns daher stolze GUTMENSCHEN sein, denn das Gegenteil davon, ist für ein gutes Miteinander mit Sicherheit schlecht!
Die schwarz-blau-türkis kleinkarierte Bundesregierung spaltet unsere Gesellschaft. Sie erzeugt Feindbilder und schürt Hass. Sie beschädigt die Grundlagen unseres Zusammenlebens, des Sozialstaats und der Demokratie. Dies betrifft schon lange nicht mehr nur Ausländer/innen, sondern auch Mindestsicherungsempfänger/innen, Frauenrechtler/innen, Notstandshilfeempfänger/innen, …
In meiner Aufgabe als demokratisch gewählte Arbeiterkammerrätin stelle ich mich entschieden gegen diese Spaltungsversuche der jetzigen Regierung, weil ich davon überzeugt bin, dass wir friedlich und konstruktiv in diesem Land zusammen leben können. Wir stehen für Solidarität statt sozialer und rassistischer Ausgrenzung.
Daher ist es wichtig, dass Menschen nicht nur ihre Stimme abgeben, sondern ihre Stimme erheben. Was wir hier und heute im wahrsten Sinne des Wortes DEMONSTRIEREN.
Ich DANKE euch ALLEN dafür!
Stimme Ihnen voll und ganz zu ! Und das in einem Gedenkjahr, wo man glaubte, die Vergangenheit bewältigt zu haben. Aber verschiedene Menschen haben leider noch immer NICHTS daraus gelernt!
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